Ausstellung der Künstlergruppe Waiblingen Sonntag, 3. Dezember 2023 Druckhaus Waiblingen   Liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,  ich bin von Beruf Kunstfuzzi und schon lange in Baden-Württemberg unterwegs. Ich habe schon viel gesehen und so manche Ausstellung landauf, landab eröffnet. Aber ich glaube, mir ist noch kein Ausstellungsformat begegnet, das eine so lange Tradition hat, wie die Ausstellung der Künstlergruppe Waiblingen.  Die Künstlergruppe Waiblingen selbst gehört ja, wie mir Herr Schützenberger, der Künstlerkurator der Ausstellung mit kaum verhohlenem Stolz, verriet, zu den ältesten Künstlergruppen im Land. Gegründet 1960.   Nun - Künstlergruppen sind ja in der Kunstgeschichte nichts Ungewöhnliches, angefangen bei den Nazarenern im frühen 19. Jahrhundert über die französischen Barbizonisten, die Brücke, Worpswede, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert dann die Gruppe Zero oder hier in der Region die Gruppe 11, Sie kennen sie vielleicht.  Aber lang haben es die Künstlerinnen in den Künstlergruppen meist nicht miteinander ausgehalten. Früher oder später gab es Zank darüber, wie nun das hehre künstlerische Ziel zu verwirklichen sei, das man sich ganz am Anfang vorgenommen hatte. Außerdem gab´s häufig komplizierte Frauen- oder Männergeschichten. Na ja, man kennt´s.  Bei der Künstlergruppe Waiblingen ist das anders: sie existiert seit über 60 Jahren und zwar genau deswegen, wie Michael Schützenberger meinte, weil sie eben keine gemeinsame Idee hat oder wenn überhaupt, dann ist es die Idee, dass man keine hat. Das nennt man dann Freiheit. Mit anderen Worten: jedes Mitglied verfolgt seinen eigenen künstlerischen Weg und die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Künstlerinnen und Künstler sich untereinander austauschen und gemeinsam ausstellen. Und der Höhepunkt dieses freien Miteinander ist die jährliche Ausstellung (früher im Rathaus) heute im Druckhaus Waiblingen.  An dieser Stelle darf ich sowohl Ihnen, Herr Villinger als auch Ihnen, Herr Oberbürgermeister Wolf, meine Hochachtung aussprechen. Dass sich der einflussreichste Medienmensch und der wichtigste Politiker einer Stadt so für die regionale Kunst einsetzen ist einmalig. Da bin ich als Stuttgarter schon ein bisschen neidisch. Ich will keine Namen nennen, aber unseren OB und den StZ-Chef habe ich noch nie zusammen in einer Kunstausstellung gesehen.   Nun gut, wir haben natürlich auch nicht so eine traditionsreiche Künstlergruppe. Auf jeden Fall,  10 Künstlerinnen und Künstler sind mit ihren Werken hier vertreten und wenn Sie, meine Damen und Herren, schon einen Blick in die Ausstellung geworfen haben, werden Sie bemerkt haben, dass wir es tatsächlich mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen zu tun haben. Wir sehen Malereien, Aquarelle, Mischtechniken und Skulpturen und jede hat ihre sehr eigenständige Handschrift.  Lassen Sie uns einen gemeinsamen Gang durch diese Ausstellung machen. 10 Künstlerinnen und Künstler, das sind eine Menge. Aber keine Angst, ich werde sie nicht mit einzelnen Biografien und Lebensdaten beballern, auch werde ich auf verschwurbelte kunstwissenschaftliche Analysen verzichten, auch wenn ich da und dort auf Bezüge in die Kunstgeschichte verweisen werde. Ich werde ihnen nur erzählen, was ich gesehen habe, als am Freitag Vormittag hier ins Druckhaus kam, zwei Stunden lang durch die Räume flaniert bin und mich mit den Werken unterhalten habe. Also ein fast privater Gang durch die Ausstellung in sehr persönlichen Worten.  Meine Damen und Herren, lassen Sie mich den Rundgang mit einem Bildhauer, Christoph Traub, beginnen. Seine Werke sind wie auch die von Michael Schützenberger, dem anderen Bildhauer der Ausstellung, an verschiedenen Stellen der Ausstellung zu sehen. Wir finden sie sowohl im Eingangsbereich als auch im ersten Stock.  Christoph Traub ist das jüngste Mitglied der Künstlergruppe Waiblingen. Er ist erst seit kurzem dabei aber als Künstler ist er hier in der Region kein Unbekannter. Seine bildhauerische Sprache ist unverwechselbar.   Gleich am Eingang empfängt uns eine seiner großformatigen Skulpturen. Sie steht da wie ein schwarzer Wächter aus einer anderen Welt, der sich vor unseren Augen in ein Fließen, Falten und Schwingen verwandelt. Faszinierend, wie Christoph Traub den Stein in eine so körperliche, natürliche Bewegung versetzt. Es ist, als ob der Stein aus sich heraus zu wachsen und sich zu entfalten beginnt, sich aufrichtet, in die Höhe reckt und sich in einen eigenständigen Organismus verwandelt. Auch bei den anderen Arbeiten in der Ausstellung kann man erleben, wie das harte Material unter der Hand des Künstlers gleichsam in einen anderen Aggregatszustand übergeht, zu fließen, zu wachsen beginnt, in die Höhe strebt. Aus Steinen werden Körper, werden Lebewesen. Es ist, als ob auf diese Weise die Urkräfte, die dem Stoff innewohnen, lebendig zu Tage treten, Kräfte, die unsere Erde, unsere Welt geformt haben. Und gleichzeitig wird die zeitlose Schönheit dieses Urmaterials sichtbar und nahbar. Man möchte die Skulpturen anfassen, ihre glatte glänzende Oberfläche berühren, sie streicheln, als wäre es menschliche Haut. Ich bin fasziniert, wie Christoph Traub seinem Material solche sinnlichen, gerade zu beseelten Qualitäten entlockt. Das schaffen nur wirklich große Bildhauer.  Diethard C. Verleger  In der Eingangshalle empfangen uns außerdem die Werke von Diethard C. Verleger: Es sind Bilder mit einer erstaunlichen Tiefenwirkung. Man fragt sich, in was für Räume man hier hineinblickt. Fremdartige Weiten mit einer eigentümlichen Sogwirkung. Kreisförmige Schwaden schweben in raumlosen Tiefen, wie Blicke in fantastische Sternennebel, als hätte man Teil an vorzeitlichen kosmischen Ereignissen:  durchscheinende Bildräume zwischen Ordnung und Chaos, Farben breiten sich frei aus und doch spürt man die behutsam führende Hand des Künstlers, ohne dass sie jedoch die Klarheit einer Darstellung sucht. Der Blick verfängt sich in Ahnungen von Wirklichkeit, von Blüten, Dingen und Landschaften und doch bleibt die Wahrnehmung in einem ortlosen Schweben. Es sind Bilder von einer erhabenen und gleichzeitig meditativen Wirkung.   Birgit Entenmann  Im Treppenhaus begegnet man den Malereien von Birgit Entenmann. Auch sie eröffnet weite Räume, lässt uns in Farblandschaften blicken, die sie aus zahlreichen Schichtungen entstehen lässt, wobei sie unterschiedliche malerische Techniken einsetzt. So ergeben sich vielfältige einander überlagernde Strukturen, die der Farbe ihre Freiheit lassen und gleichzeitig ein beeindruckendes Raumgefühl erzeugen.  Dieses Raumgefühl wird noch verstärkt durch eine extreme Bildperspektive, die die Künstlerin teilweise in Fluchtlinien konkretisiert, und in der sie uns wie aus der Sicht eines Vogels über die Weiten ihrer Farblandschaften fliegen lässt. Ein eigentümlicher Klang aus Grün- und Blautönen, durchzogen von Weiß und Grau erzeugt eine Stimmung, die bei aller Schönheit von einer gewissen Beklemmung begleitet ist, von der Ahnung einer Gefährdung, vielleicht sogar eines Untergangs? Und wirklich finden sich auf vielen Bildern fast unsichtbar kleine Radioaktivitätssymbole. Ich fühle mich bei den Bildern von Birgit Entenmann an die bedeutungsvollen Landschaften eines Anselm Kiefer erinnert, und wie bei ihm werden auch bei Birgit Entenmann die übereinander liegenden Farbschichten zu Schichten von Bedeutungen, die man letztlich nicht durchdringen kann. Birgit Entenmanns Landschaften sind Weltszenarien, die weniger Natur oder Topografien meinen als unsere existenzielle Befindlichkeit. Und doch taucht die Künstlerin die Szenerie immer wieder in das Licht hoffnungsvoller Farbklänge, als ob sie uns einen Trost in der Farbe verspricht.  Albrecht Pfister  Anschließend die Werke von Albrecht Pfister. Bewegte Kompositionen aus malerischen und graphischen Gesten in kraftvollem Blau und tiefem Schwarz, die vor einem durchscheinend farbigen Lichtraum schweben. Manche dieser Gesten scheinen ganz frei in den Bildraum geworfen andere wirken klar geführt und manchmal sogar von einer gegenständlichen Idee begleitet: man könnte an Federn denken aber auch an lange Boote. Wo die Farbspuren in die Vertikale gestellt sind, könnte man sogar menschliche Figuren vermuten. Doch nirgends beginnt eine Erzählung, alles bleibt in der abstrakten Welt freier Formen. Sinnhaftigkeit ohne Bedeutung. Häufig durchkreuzt Albrecht Pfister seine gestischen Elemente mit horizontalen Gegenstrichen, so als wollte er ihre aufstrebende Kraft bändigen und sie im Bildraum festhalten.  Lausche ich in das Flüstern der Kunstgeschichte, höre bei Albrecht Pfister die Stimmen der Meister der lyrischen Abstraktion, etwa von George Mathieu oder Hans Hartung.  Wie ihnen, gelingt es ihm, mit einem konzentrierten Repertoire an gestalterischen Formen immer neue berührende Bildszenerien zu erschaffen, abstrakte Choreografien von feiner Sinnlichkeit und schwebender Poesie.   Klaus Hallermann  Man betritt vom Treppenhaus das erste Stockwerk mit Aquarellen von Klaus Hallermann: Klaus Hallermann ist das älteste Mitglied der Gruppe. Ein Künstler von 92 Jahren, der immer noch tätig ist. Allerdings merkt man den Bildern das hohe Alter des Künstlers keineswegs an. Es sind Aquarelle von einer wunderbaren Leichtigkeit und Lebendigkeit. Es sind gemalte Gedichte aus Architektur mit einer zauberhaften Stimmung.  Sie entführen uns in Fantasiewelten, in denen Häuser und Paläste, Kirchen und Hütten die Hauptdarsteller sind. Sie führen ein Eigenleben und es ist, als ob sie die Welt aus ihrer Sicht, aus der Sicht der Häuser erzählen. Menschen und Tiere sind nur Nebendarsteller und Statisten, ihr Tun und Lassen erscheint sinn- und ortlos. Worauf es in den Bildern ankommt, ist das, was die Architektur zu erzählen weiß: Geschichten von Licht und Schatten, von Farbnuancen, die sich im Spiel von Hell und Dunkel ergeben, von Fügungen und Öffnungen und wie sich die Häuser, die Paläste und Kirchen im Raum und in der Landschaft einnisten. Sie berichten auch aus ihrer Geschichte, der Romanik oder der italienischen Renaissance aber auch von der deutschen Romantik und werden dabei begleitet von uralten Bäumen. Klaus Hallermanns Bilder sind für mich Architekturmärchen. Sie haben eine ganz eigentümliche Stimmung, eine vielstimmige Stille, die ich sonst nur aus den Werken der Pittura Metafisica kenne, lautlos und doch wie begleitet von leisen, fast vertrauten Melodien.  Sybille Bross  Zurück ins Treppenhaus. Dort kommt Urlaubstimmung auf. Eine wunderbare Reihe von Meer und Strandbildern von Sybille Bross. Malerei, wie man sie sich sinnlicher nicht wünschen kann. Sibylle Bross hat sich eine große malerische Herausforderung gesucht: Sonne und Wasser am Meer und Menschen, die in dieser herrlichen Strandszenerie das Leben genießen. Das Motiv der Badenden hat viele große Künstler fasziniert, Cezanne, Picasso, auch den deutschen Impressionisten Max Liebermann, natürlich die Brücke Künstler Erich Heckel oder Otto Müller, aber auch Künstlerpersönlichkeiten aus der Region wie Manfred Henninger haben bei dem Thema ihre Meisterschaft bewiesen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass sich Sybille Bross mit den großen Namen messen kann. Mit energischem Pinsel und virtuoser Farbigkeit fängt sie die glitzernde, sonnendurchflutete Stimmung am Meer ein. Mit wenigen, sicher gesetzten Pinselstrichen platziert sie die Menschenfiguren in ihrer ganzen Lebendigkeit in der Gischt der Wellen oder in der Ruhe eines Schattenplatzes. Dabei gelingt es ihr, sowohl die Kräfte der Natur, etwa das Spiel des Sonnenlichts in den schäumenden Wellen, als auch die Menschen in ihrer sonnenbeschienenen Körperlichkeit darzustellen. Übrigens: ein großer Teil der Bilder, die Sie hier sehen, sind direkt am Strand unter freiem Himmel in den Niederlanden entstanden!  Abgesehen von der großen Spontanität und Lebendigkeit fasziniert mich bei Sybille Bross‘ Meerbildern ganz besonders die Kühnheit, mit der sie die Farbe einsetzt:  ein leuchtendes Orangerot oder entschiedenes Lila - und wie es ihr gelingt, in diesen künstlerischen Freiheiten die sinnliche Kraft und Stimmung dieser Strandszenen noch zu intensivieren. Man meint die Brandung des Meeres und das Schreien der Möven zu hören. Auf jeden Fall: nach dem Besuch dieser Ausstellung habe ich sofort eine Ferienwohnung am Atlantik für nächsten Sommer gebucht.  Monika Walter  Im zweiten Stock kehrt wieder Ruhe ein: Dort begegnen uns wunderbare Farbfügungen von Monika Walter. Sie tauchen den Raum in lichte, milde Farben. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Werke nicht nur aus wohl gesetzten Farbkompositionen bestehen, sondern aus ganz unterschiedlichen Bildelementen, die einander überlagern. Es finden sich grafische Partien, sensibel geführte Linien, die teilweise Spindeln oder Kokons bilden und durch Übermalungen durchscheinen oder auch von ihnen ganz verdeckt werden. Da und dort meint man Teile von menschlichen Körpern oder Köpfe zu erahnen. Ein gesenkter Blick, ein tanzendes Mädchen. Es kommt der Verdacht auf, dass in den Gemälden von Monika Walter etwas verborgen ist, etwas das man zwar nicht sehen aber doch spüren kann. Schon das strenge Schwarz, das bei manchen Bildern in den Reigen der hellen Farben eingreift, zeigt, dass es in dieser Kunst nicht um heiteres Farbenspiel geht. Wie viel unter der Oberfläche bei Monika Walter anzunehmen ist, wird am deutlichsten bei ihren Zeichnungen sichtbar, die sie „Verwerfungen“ nennt. Mit intensiven, fast schon verzweifelten Grafitstrichen hat sie eine rotleuchtende Farbstiftzeichnung überarbeitet. Nur ein kleines rotes Fenster lässt noch auf den glühenden Untergrund blicken. Mit energischen Kreuzen aus Klebband hat sie die Zeichnung versiegelt, so als müsse hier etwas verschlossen werden. Als ich diesen Raum verließ, war mir klar, dass ich es hier mit einem sehr tief- und hintergründigen Werk zu tun habe. Und die farbenfrohe Ruhe, die ich beim Eintreten verspürte, ist trügerisch.  Gerhard Hezel  Auch die Kunst von Gerhard Hezel ist hintergründig, wenn auch in ganz anderer Art und Weise. Als mir Michael Schützenberger sagte, dass Herr Hezel 88 Jahre alt ist, konnte ich es einfach nicht glauben, so jung, so frisch und witzig ist seine Arbeit. Er zeigt uns eine Reihe von herrlichen Stillleben, in denen er in meisterhafter Malerei Alltagsgegenstände zu surrealen Szenerien zusammenstellt. Gerhard Hezel ist ein Meister des Skurrilen, einer der die Absurditäten des menschlichen Daseins in ironischen Sinnbildern einzufangen weiß. Obwohl der Künstler dabei das Menschliche, Allzu menschliche ins Visier nimmt, kommt er in seinen Bildern ganz ohne Menschen aus. Wenn er z. B. auf dem Bild „Vatikanunfall“ hinter einem eleganten Stöckelschuh eine klobige Beinschiene platziert, die mit einer blauen Krücke verbunden ist. Die Geschichte eines Versuchs, die Kuppel des Petersdoms mit dem falschen Schuhwerk zu erklimmen.  Auf einem anderen Bild sieht man fünf bunte Plastikstühle, die an einen verlassenen Tisch gelehnt sind, auf dem schon die Farbe abblättert, die Stühle wie in eine unendlich lange Sitzmeditation vertieft. Meine Damen und Herren, vielleicht kennen auch Sie diese Art von Dienstbesprechungen. Aber mit demselben hintergründigen Humor blickt Gerhard Hezel auch in die Kunstgeschichte, bastelt mit Schnüren und Kürbissen eine Archimboldo-Persiflage nach. Und bei alle dem stellt er überall unter Beweis, wie meisterhaft er mit Stift und Farbe umzugehen versteht. Jedes Bild ein Festmahl für Kopf und Auge.  Jan F. Welker  Nun, meine Damen und Herren, sind wir bei unserem Rundgang in Worten hier im Casino angelangt: Bei den Bildern von Jan F. Welker. Jan Welker und ich kennen uns schon seit vielen Jahren und ich habe immer die Intensität und Hingabe bewundert, mit der er Maler ist. Kein Motiv ist ihm zu anspruchsvoll, er stellt sich den großen Themen der Weltgeschichte, auch aktuelle weltpolitische Ereignisse setzt er unmittelbar in seiner Malerei um. In die Waiblinger Ausstellung hat er Motive aus modernen Filmklassikern mitgebracht. Haben Sie schon erkannt, um welche Filme es sich dreht?   Taxidriver, Pulp Fiktion, Einer flog übers Kuckucksnest, The Shining. Es sind Bilder von Filmgrößen wie John Travolta, Sigurney Weaver oder Klaus Kinski. In gewisser Weise greift Jan Welker mit dieser Serie alte Traditionen der Tafelmalerei auf. Früher waren es Fürsten und Könige, die in Ahnengalerien hingen, heute sind es die Medienstars. Früher wurden bedeutende Schlachten in Historiengemälden präsentiert, heute sind es Szenen aus Hollywoodfilmen. Es ist beeindruckend, wie Welker mit schnellem, sicheren Pinsel, seine Motive auf große Leinwandformate wirft und dabei mit seiner Kunst immer wieder tief hineinleuchtet in das kollektive Bildgedächtnis unserer Gegenwart. Seine Motive springen uns förmlich an, was nicht nur an der Lebendigkeit seiner Malerei liegt, sondern insbesondere an der Art und wie er Blicke und Blickrichtungen inszeniert, indem er die Strahlkraft der Augen von Sigurney Weaver oder auch Kinski überzeichnet oder auch den angstvollen Blick des kleinen Jungen auf dem Bild aus Shining zum Thema eines großen Tafelbildes macht.  Was auch immer er anstellt, auf seiner Leinwand, der Herr Welker, hat Hand und Fuß. Er ist ein Meister seines Fachs.  Michael Schützenberger  Ich habe meinen Rundgang mit einem Bildhauer begonnen, mit Christoph Traub, so beende ich ihn auch mit einem Bildhauer: Michael Schützenberger. Michael Schützenberger zeigt in dieser Ausstellung ausschließlich Portraits. Und während ich bei Traub versucht bin, die Skulpturen zu berühren, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, halte ich von den Portraits von Michael Schützenberger respektvollen Abstand. Es ist, als ob einem nicht nur Artefakte begegnen sondern Menschen, lebende aber vielleicht auch schon verstorbene. Das mag auch daran liegen, dass die meisten der gezeigten Skulpturen Gipsabgüsse sind, die mich an historische Portraits erinnern und teilweise auch an Totenmasken.  Man spürt, dass es bei diesen Bildnissen nicht nur um äußerliche Ähnlichkeit geht. Ganz in der Tradition der klassischen Portaitbildhauerei spürt Schützenberger in seinem Werk vielmehr dem nach, was den dargestellten Menschen als Person ausmacht. Er lässt uns in die Seele blicken. Und bei den Bildnissen, bei denen Michael Schützenberger keine realen Personen darstellt, sondern überzeitliche überpersönliche Formulierungen für das menschliche Antlitz findet, verliert sich dieser Seelenblick bei mir in einem existentiellen Raum, der mich ganz still werden lässt.  Meine Damen und Herren ich bin am Ende meines Rundgangs in Worten angelangt. und ich bedanke mich sehr, dass ich hierher eingeladen wurde. Ich freue mich, dass ich nun ein Teil der reichen Tradition der Künstlergruppe Waiblingen geworden bin und mir sicher, dass die Stadt Waiblingen und das Druckhaus Waiblingen, dass Sie Herr Oberbürgermeister Wolf und Sie Herr Villinger dafür sorgen werden, dass diese Tradition noch lange fortbesteht. Sie ahnen nicht, was für einen wichtigen kulturellen Schatz Sie hier haben. Pflegen Sie ihn.                     																				Dr. Tobias Wall
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Ausstellung der Künstlergruppe Waiblingen Sonntag, 3. Dezember 2023 Druckhaus Waiblingen  Liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,  ich bin von Beruf Kunstfuzzi und schon lange in Baden-Württemberg unterwegs. Ich habe schon viel gesehen und so manche Ausstellung landauf, landab eröffnet. Aber ich glaube, mir ist noch kein Ausstellungsformat begegnet, das eine so lange Tradition hat, wie die Ausstellung der Künstlergruppe Waiblingen.  Die Künstlergruppe Waiblingen selbst gehört ja, wie mir Herr Schützenberger, der Künstlerkurator der Ausstellung mit kaum verhohlenem Stolz, verriet, zu den ältesten Künstlergruppen im Land. Gegründet 1960.   Nun - Künstlergruppen sind ja in der Kunstgeschichte nichts Ungewöhnliches, angefangen bei den Nazarenern im frühen 19. Jahrhundert über die französischen Barbizonisten, die Brücke, Worpswede, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert dann die Gruppe Zero oder hier in der Region die Gruppe 11, Sie kennen sie vielleicht.  Aber lang haben es die Künstlerinnen in den Künstlergruppen meist nicht miteinander ausgehalten. Früher oder später gab es Zank darüber, wie nun das hehre künstlerische Ziel zu verwirklichen sei, das man sich ganz am Anfang vorgenommen hatte. Außerdem gab´s häufig komplizierte Frauen- oder Männergeschichten. Na ja, man kennt´s.  Bei der Künstlergruppe Waiblingen ist das anders: sie existiert seit über 60 Jahren und zwar genau deswegen, wie Michael Schützenberger meinte, weil sie eben keine gemeinsame Idee hat oder wenn überhaupt, dann ist es die Idee, dass man keine hat. Das nennt man dann Freiheit. Mit anderen Worten: jedes Mitglied verfolgt seinen eigenen künstlerischen Weg und die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Künstlerinnen und Künstler sich untereinander austauschen und gemeinsam ausstellen. Und der Höhepunkt dieses freien Miteinander ist die jährliche Ausstellung (früher im Rathaus) heute im Druckhaus Waiblingen.  An dieser Stelle darf ich sowohl Ihnen, Herr Villinger als auch Ihnen, Herr Oberbürgermeister Wolf, meine Hochachtung aussprechen. Dass sich der einflussreichste Medienmensch und der wichtigste Politiker einer Stadt so für die regionale Kunst einsetzen ist einmalig. Da bin ich als Stuttgarter schon ein bisschen neidisch. Ich will keine Namen nennen, aber unseren OB und den StZ-Chef habe ich noch nie zusammen in einer Kunstausstellung gesehen.   Nun gut, wir haben natürlich auch nicht so eine traditionsreiche Künstlergruppe. Auf jeden Fall,  10 Künstlerinnen und Künstler sind mit ihren Werken hier vertreten und wenn Sie, meine Damen und Herren, schon einen Blick in die Ausstellung geworfen haben, werden Sie bemerkt haben, dass wir es tatsächlich mit sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen zu tun haben. Wir sehen Malereien, Aquarelle, Mischtechniken und Skulpturen und jede hat ihre sehr eigenständige Handschrift.  Lassen Sie uns einen gemeinsamen Gang durch diese Ausstellung machen. 10 Künstlerinnen und Künstler, das sind eine Menge. Aber keine Angst, ich werde sie nicht mit einzelnen Biografien und Lebensdaten beballern, auch werde ich auf verschwurbelte kunstwissenschaftliche Analysen verzichten, auch wenn ich da und dort auf Bezüge in die Kunstgeschichte verweisen werde. Ich werde ihnen nur erzählen, was ich gesehen habe, als am Freitag Vormittag hier ins Druckhaus kam, zwei Stunden lang durch die Räume flaniert bin und mich mit den Werken unterhalten habe. Also ein fast privater Gang durch die Ausstellung in sehr persönlichen Worten.  Meine Damen und Herren, lassen Sie mich den Rundgang mit einem Bildhauer, Christoph Traub, beginnen. Seine Werke sind wie auch die von Michael Schützenberger, dem anderen Bildhauer der Ausstellung, an verschiedenen Stellen der Ausstellung zu sehen. Wir finden sie sowohl im Eingangsbereich als auch im ersten Stock.  Christoph Traub ist das jüngste Mitglied der Künstlergruppe Waiblingen. Er ist erst seit kurzem dabei aber als Künstler ist er hier in der Region kein Unbekannter. Seine bildhauerische Sprache ist unverwechselbar.   Gleich am Eingang empfängt uns eine seiner großformatigen Skulpturen. Sie steht da wie ein schwarzer Wächter aus einer anderen Welt, der sich vor unseren Augen in ein Fließen, Falten und Schwingen verwandelt. Faszinierend, wie Christoph Traub den Stein in eine so körperliche, natürliche Bewegung versetzt. Es ist, als ob der Stein aus sich heraus zu wachsen und sich zu entfalten beginnt, sich aufrichtet, in die Höhe reckt und sich in einen eigenständigen Organismus verwandelt. Auch bei den anderen Arbeiten in der Ausstellung kann man erleben, wie das harte Material unter der Hand des Künstlers gleichsam in einen anderen Aggregatszustand übergeht, zu fließen, zu wachsen beginnt, in die Höhe strebt. Aus Steinen werden Körper, werden Lebewesen. Es ist, als ob auf diese Weise die Urkräfte, die dem Stoff innewohnen, lebendig zu Tage treten, Kräfte, die unsere Erde, unsere Welt geformt haben. Und gleichzeitig wird die zeitlose Schönheit dieses Urmaterials sichtbar und nahbar. Man möchte die Skulpturen anfassen, ihre glatte glänzende Oberfläche berühren, sie streicheln, als wäre es menschliche Haut. Ich bin fasziniert, wie Christoph Traub seinem Material solche sinnlichen, gerade zu beseelten Qualitäten entlockt. Das schaffen nur wirklich große Bildhauer.  Diethard C. Verleger  In der Eingangshalle empfangen uns außerdem die Werke von Diethard C. Verleger: Es sind Bilder mit einer erstaunlichen Tiefenwirkung. Man fragt sich, in was für Räume man hier hineinblickt. Fremdartige Weiten mit einer eigentümlichen Sogwirkung. Kreisförmige Schwaden schweben in raumlosen Tiefen, wie Blicke in fantastische Sternennebel, als hätte man Teil an vorzeitlichen kosmischen Ereignissen:  durchscheinende Bildräume zwischen Ordnung und Chaos, Farben breiten sich frei aus und doch spürt man die behutsam führende Hand des Künstlers, ohne dass sie jedoch die Klarheit einer Darstellung sucht. Der Blick verfängt sich in Ahnungen von Wirklichkeit, von Blüten, Dingen und Landschaften und doch bleibt die Wahrnehmung in einem ortlosen Schweben. Es sind Bilder von einer erhabenen und gleichzeitig meditativen Wirkung.   Birgit Entenmann  Im Treppenhaus begegnet man den Malereien von Birgit Entenmann. Auch sie eröffnet weite Räume, lässt uns in Farblandschaften blicken, die sie aus zahlreichen Schichtungen entstehen lässt, wobei sie unterschiedliche malerische Techniken einsetzt. So ergeben sich vielfältige einander überlagernde Strukturen, die der Farbe ihre Freiheit lassen und gleichzeitig ein beeindruckendes Raumgefühl erzeugen.  Dieses Raumgefühl wird noch verstärkt durch eine extreme Bildperspektive, die die Künstlerin teilweise in Fluchtlinien konkretisiert, und in der sie uns wie aus der Sicht eines Vogels über die Weiten ihrer Farblandschaften fliegen lässt. Ein eigentümlicher Klang aus Grün- und Blautönen, durchzogen von Weiß und Grau erzeugt eine Stimmung, die bei aller Schönheit von einer gewissen Beklemmung begleitet ist, von der Ahnung einer Gefährdung, vielleicht sogar eines Untergangs? Und wirklich finden sich auf vielen Bildern fast unsichtbar kleine Radioaktivitätssymbole. Ich fühle mich bei den Bildern von Birgit Entenmann an die bedeutungsvollen Landschaften eines Anselm Kiefer erinnert, und wie bei ihm werden auch bei Birgit Entenmann die übereinander liegenden Farbschichten zu Schichten von Bedeutungen, die man letztlich nicht durchdringen kann. Birgit Entenmanns Landschaften sind Weltszenarien, die weniger Natur oder Topografien meinen als unsere existenzielle Befindlichkeit. Und doch taucht die Künstlerin die Szenerie immer wieder in das Licht hoffnungsvoller Farbklänge, als ob sie uns einen Trost in der Farbe verspricht.  Albrecht Pfister  Anschließend die Werke von Albrecht Pfister. Bewegte Kompositionen aus malerischen und graphischen Gesten in kraftvollem Blau und tiefem Schwarz, die vor einem durchscheinend farbigen Lichtraum schweben. Manche dieser Gesten scheinen ganz frei in den Bildraum geworfen andere wirken klar geführt und manchmal sogar von einer gegenständlichen Idee begleitet: man könnte an Federn denken aber auch an lange Boote. Wo die Farbspuren in die Vertikale gestellt sind, könnte man sogar menschliche Figuren vermuten. Doch nirgends beginnt eine Erzählung, alles bleibt in der abstrakten Welt freier Formen. Sinnhaftigkeit ohne Bedeutung. Häufig durchkreuzt Albrecht Pfister seine gestischen Elemente mit horizontalen Gegenstrichen, so als wollte er ihre aufstrebende Kraft bändigen und sie im Bildraum festhalten.  Lausche ich in das Flüstern der Kunstgeschichte, höre bei Albrecht Pfister die Stimmen der Meister der lyrischen Abstraktion, etwa von George Mathieu oder Hans Hartung.  Wie ihnen, gelingt es ihm, mit einem konzentrierten Repertoire an gestalterischen Formen immer neue berührende Bildszenerien zu erschaffen, abstrakte Choreografien von feiner Sinnlichkeit und schwebender Poesie.   Klaus Hallermann  Man betritt vom Treppenhaus das erste Stockwerk mit Aquarellen von Klaus Hallermann: Klaus Hallermann ist das älteste Mitglied der Gruppe. Ein Künstler von 92 Jahren, der immer noch tätig ist. Allerdings merkt man den Bildern das hohe Alter des Künstlers keineswegs an. Es sind Aquarelle von einer wunderbaren Leichtigkeit und Lebendigkeit. Es sind gemalte Gedichte aus Architektur mit einer zauberhaften Stimmung.  Sie entführen uns in Fantasiewelten, in denen Häuser und Paläste, Kirchen und Hütten die Hauptdarsteller sind. Sie führen ein Eigenleben und es ist, als ob sie die Welt aus ihrer Sicht, aus der Sicht der Häuser erzählen. Menschen und Tiere sind nur Nebendarsteller und Statisten, ihr Tun und Lassen erscheint sinn- und ortlos. Worauf es in den Bildern ankommt, ist das, was die Architektur zu erzählen weiß: Geschichten von Licht und Schatten, von Farbnuancen, die sich im Spiel von Hell und Dunkel ergeben, von Fügungen und Öffnungen und wie sich die Häuser, die Paläste und Kirchen im Raum und in der Landschaft einnisten. Sie berichten auch aus ihrer Geschichte, der Romanik oder der italienischen Renaissance aber auch von der deutschen Romantik und werden dabei begleitet von uralten Bäumen. Klaus Hallermanns Bilder sind für mich Architekturmärchen. Sie haben eine ganz eigentümliche Stimmung, eine vielstimmige Stille, die ich sonst nur aus den Werken der Pittura Metafisica kenne, lautlos und doch wie begleitet von leisen, fast vertrauten Melodien.  Sybille Bross  Zurück ins Treppenhaus. Dort kommt Urlaubstimmung auf. Eine wunderbare Reihe von Meer und Strandbildern von Sybille Bross. Malerei, wie man sie sich sinnlicher nicht wünschen kann. Sibylle Bross hat sich eine große malerische Herausforderung gesucht: Sonne und Wasser am Meer und Menschen, die in dieser herrlichen Strandszenerie das Leben genießen. Das Motiv der Badenden hat viele große Künstler fasziniert, Cezanne, Picasso, auch den deutschen Impressionisten Max Liebermann, natürlich die Brücke Künstler Erich Heckel oder Otto Müller, aber auch Künstlerpersönlichkeiten aus der Region wie Manfred Henninger haben bei dem Thema ihre Meisterschaft bewiesen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass sich Sybille Bross mit den großen Namen messen kann. Mit energischem Pinsel und virtuoser Farbigkeit fängt sie die glitzernde, sonnendurchflutete Stimmung am Meer ein. Mit wenigen, sicher gesetzten Pinselstrichen platziert sie die Menschenfiguren in ihrer ganzen Lebendigkeit in der Gischt der Wellen oder in der Ruhe eines Schattenplatzes. Dabei gelingt es ihr, sowohl die Kräfte der Natur, etwa das Spiel des Sonnenlichts in den schäumenden Wellen, als auch die Menschen in ihrer sonnenbeschienenen Körperlichkeit darzustellen. Übrigens: ein großer Teil der Bilder, die Sie hier sehen, sind direkt am Strand unter freiem Himmel in den Niederlanden entstanden!  Abgesehen von der großen Spontanität und Lebendigkeit fasziniert mich bei Sybille Bross‘ Meerbildern ganz besonders die Kühnheit, mit der sie die Farbe einsetzt:  ein leuchtendes Orangerot oder entschiedenes Lila - und wie es ihr gelingt, in diesen künstlerischen Freiheiten die sinnliche Kraft und Stimmung dieser Strandszenen noch zu intensivieren. Man meint die Brandung des Meeres und das Schreien der Möven zu hören. Auf jeden Fall: nach dem Besuch dieser Ausstellung habe ich sofort eine Ferienwohnung am Atlantik für nächsten Sommer gebucht.  Im zweiten Stock kehrt wieder Ruhe ein: Dort begegnen uns wunderbare Farbfügungen von Monika Walter. Sie tauchen den Raum in lichte, milde Farben. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Werke nicht nur aus wohl gesetzten Farbkompositionen bestehen, sondern aus ganz unterschiedlichen Bildelementen, die einander überlagern. Es finden sich grafische Partien, sensibel geführte Linien, die teilweise Spindeln oder Kokons bilden und durch Übermalungen durchscheinen oder auch von ihnen ganz verdeckt werden. Da und dort meint man Teile von menschlichen Körpern oder Köpfe zu erahnen. Ein gesenkter Blick, ein tanzendes Mädchen. Es kommt der Verdacht auf, dass in den Gemälden von Monika Walter etwas verborgen ist, etwas das man zwar nicht sehen aber doch spüren kann. Schon das strenge Schwarz, das bei manchen Bildern in den Reigen der hellen Farben eingreift, zeigt, dass es in dieser Kunst nicht um heiteres Farbenspiel geht. Wie viel unter der Oberfläche bei Monika Walter anzunehmen ist, wird am deutlichsten bei ihren Zeichnungen sichtbar, die sie „Verwerfungen“ nennt. Mit intensiven, fast schon verzweifelten Grafitstrichen hat sie eine rotleuchtende Farbstiftzeichnung überarbeitet. Nur ein kleines rotes Fenster lässt noch auf den glühenden Untergrund blicken. Mit energischen Kreuzen aus Klebband hat sie die Zeichnung versiegelt, so als müsse hier etwas verschlossen werden. Als ich diesen Raum verließ, war mir klar, dass ich es hier mit einem sehr tief- und hintergründigen Werk zu tun habe. Und die farbenfrohe Ruhe, die ich beim Eintreten verspürte, ist trügerisch.  Gerhard Hezel  Auch die Kunst von Gerhard Hezel ist hintergründig, wenn auch in ganz anderer Art und Weise. Als mir Michael Schützenberger sagte, dass Herr Hezel 88 Jahre alt ist, konnte ich es einfach nicht glauben, so jung, so frisch und witzig ist seine Arbeit. Er zeigt uns eine Reihe von herrlichen Stillleben, in denen er in meisterhafter Malerei Alltagsgegenstände zu surrealen Szenerien zusammenstellt. Gerhard Hezel ist ein Meister des Skurrilen, einer der die Absurditäten des menschlichen Daseins in ironischen Sinnbildern einzufangen weiß. Obwohl der Künstler dabei das Menschliche, Allzu menschliche ins Visier nimmt, kommt er in seinen Bildern ganz ohne Menschen aus. Wenn er z. B. auf dem Bild „Vatikanunfall“ hinter einem eleganten Stöckelschuh eine klobige Beinschiene platziert, die mit einer blauen Krücke verbunden ist. Die Geschichte eines Versuchs, die Kuppel des Petersdoms mit dem falschen Schuhwerk zu erklimmen.  Auf einem anderen Bild sieht man fünf bunte Plastikstühle, die an einen verlassenen Tisch gelehnt sind, auf dem schon die Farbe abblättert, die Stühle wie in eine unendlich lange Sitzmeditation vertieft. Meine Damen und Herren, vielleicht kennen auch Sie diese Art von Dienstbesprechungen. Aber mit demselben hintergründigen Humor blickt Gerhard Hezel auch in die Kunstgeschichte, bastelt mit Schnüren und Kürbissen eine Archimboldo-Persiflage nach. Und bei alle dem stellt er überall unter Beweis, wie meisterhaft er mit Stift und Farbe umzugehen versteht. Jedes Bild ein Festmahl für Kopf und Auge.  Jan F. Welker  Nun, meine Damen und Herren, sind wir bei unserem Rundgang in Worten hier im Casino angelangt: Bei den Bildern von Jan F. Welker. Jan Welker und ich kennen uns schon seit vielen Jahren und ich habe immer die Intensität und Hingabe bewundert, mit der er Maler ist. Kein Motiv ist ihm zu anspruchsvoll, er stellt sich den großen Themen der Weltgeschichte, auch aktuelle weltpolitische Ereignisse setzt er unmittelbar in seiner Malerei um. In die Waiblinger Ausstellung hat er Motive aus modernen Filmklassikern mitgebracht. Haben Sie schon erkannt, um welche Filme es sich dreht?   Taxidriver, Pulp Fiktion, Einer flog übers Kuckucksnest, The Shining. Es sind Bilder von Filmgrößen wie John Travolta, Sigurney Weaver oder Klaus Kinski. In gewisser Weise greift Jan Welker mit dieser Serie alte Traditionen der Tafelmalerei auf. Früher waren es Fürsten und Könige, die in Ahnengalerien hingen, heute sind es die Medienstars. Früher wurden bedeutende Schlachten in Historiengemälden präsentiert, heute sind es Szenen aus Hollywoodfilmen. Es ist beeindruckend, wie Welker mit schnellem, sicheren Pinsel, seine Motive auf große Leinwandformate wirft und dabei mit seiner Kunst immer wieder tief hineinleuchtet in das kollektive Bildgedächtnis unserer Gegenwart. Seine Motive springen uns förmlich an, was nicht nur an der Lebendigkeit seiner Malerei liegt, sondern insbesondere an der Art und wie er Blicke und Blickrichtungen inszeniert, indem er die Strahlkraft der Augen von Sigurney Weaver oder auch Kinski überzeichnet oder auch den angstvollen Blick des kleinen Jungen auf dem Bild aus Shining zum Thema eines großen Tafelbildes macht.  Was auch immer er anstellt, auf seiner Leinwand, der Herr Welker, hat Hand und Fuß. Er ist ein Meister seines Fachs.  Michael Schützenberger  Ich habe meinen Rundgang mit einem Bildhauer begonnen, mit Christoph Traub, so beende ich ihn auch mit einem Bildhauer: Michael Schützenberger. Michael Schützenberger zeigt in dieser Ausstellung ausschließlich Portraits. Und während ich bei Traub versucht bin, die Skulpturen zu berühren, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, halte ich von den Portraits von Michael Schützenberger respektvollen Abstand. Es ist, als ob einem nicht nur Artefakte begegnen sondern Menschen, lebende aber vielleicht auch schon verstorbene. Das mag auch daran liegen, dass die meisten der gezeigten Skulpturen Gipsabgüsse sind, die mich an historische Portraits erinnern und teilweise auch an Totenmasken.  Man spürt, dass es bei diesen Bildnissen nicht nur um äußerliche Ähnlichkeit geht. Ganz in der Tradition der klassischen Portaitbildhauerei spürt Schützenberger in seinem Werk vielmehr dem nach, was den dargestellten Menschen als Person ausmacht. Er lässt uns in die Seele blicken. Und bei den Bildnissen, bei denen Michael Schützenberger keine realen Personen darstellt, sondern überzeitliche überpersönliche Formulierungen für das menschliche Antlitz findet, verliert sich dieser Seelenblick bei mir in einem existentiellen Raum, der mich ganz still werden lässt.  Meine Damen und Herren ich bin am Ende meines Rundgangs in Worten angelangt. und ich bedanke mich sehr, dass ich hierher eingeladen wurde. Ich freue mich, dass ich nun ein Teil der reichen Tradition der Künstlergruppe Waiblingen geworden bin und mir sicher, dass die Stadt Waiblingen und das Druckhaus Waiblingen, dass Sie Herr Oberbürgermeister Wolf und Sie Herr Villinger dafür sorgen werden, dass diese Tradition noch lange fortbesteht. Sie ahnen nicht, was für einen wichtigen kulturellen Schatz Sie hier haben. Pflegen Sie ihn.  Dr. Tobias Wall