WAIBLINGEN
Künstlergruppe Waiblingen: Jahresausstellung im
Zeitungsverlag - mit 2G
Von Thomas Milz
Veröffentlicht: 04.12.2021 00:00
Michael Schützenberger mit dem Jubiläumsplakat der
Künstlergruppe Waiblingen vor zwei Werken von
Albrecht Pfister.
© Benjamin Büttner
Seit langem hat die Jahresausstellung der
Künstlergruppe Waiblingen ihr Zuhause in der Galerie
im Druckhaus und Zeitungsverlag. Traditionell eröffnet
kurz vor Weihnachten, war sie immer auch ein
stimmungsvoller Höhepunkt im jährlichen, von
Dorothea Villinger engagiert kuratierten
Ausstellungsreigen des Hauses.
Aber ausgerechnet 2020, im Jahr des 60.
Gründungsjubiläums der Künstlergruppe, musste die
Schau abgesagt werden. Nun aber findet die
Ausstellung statt und man war gespannt, was die
alten Bekannten an neuen Arbeiten mitgebracht
haben.
Aber ausgerechnet 2020, im Jahr des 60.
Gründungsjubiläums der Künstlergruppe, musste die
Schau abgesagt werden. Nun aber findet die
Ausstellung statt und man war gespannt, was die
alten Bekannten an neuen Arbeiten mitgebracht
haben.
Sechs Gemälde von Sibylle Bross hängen im
Foyer
Gleich im Foyer begrüßen den Besucher sechs
Gemälde von Sibylle Bross, der es merklich ihre
sonst lebensfrohe Farbigkeit verschlagen hat. Zu
sehen sind düstere in unruhigem Rot und Schwarz
gehaltene Landschaften, Wälder, in denen Menschen
nur mehr als dunkle Schemen umherirren. Eine
beängstigende Schattenwelt, künstlerische
Psychogramme unserer von einem Virus
gescheuchten Befindlichkeit.
Nicht froher wird einem auch bei den Arbeiten von
Birgit Entenmann. Etwa „Weltlandschaft 1 und 2“:
Collagen, auf denen Texte zur Klimadiskussion hinter
einer kalkig-kühlen Färbung kaum mehr leserlich sind.
Alles schon zu spät?
Da lädt die Wiederbegegnung mit den surrealen
Stadtlandschaften von Klaus Hallermann in ihrer
einladend warmen Farbigkeit zum Aufatmen ein, und
zum Sich-Versenken in die poetischen, sich
türmenden Architekturen, obwohl auch hier durchaus
Unheimlichkeiten zu entdecken sind.
Meditationstafeln über das Ausbalancieren von
Nähe und Distanz
Faszinierend energiegeladen die zwei Serien
„Distanz“ und „Balance“ von Albrecht Pfister.
Spannungsreich und mit außerordentlich feiner
Farbdramaturgie choreografiert der Künstler hier fast
humoreske Bildelemente, die sich abstoßen oder
anziehen zu scheinen. Grandiose, ja geradezu
schöne Meditationstafeln über eines unserer aktuellen
Probleme, nämlich das Austarieren von Nähe und
Ferne.
Die Fotoprint-Arbeiten auf Leinwand von Diethart
Verleger verstricken den Betrachter in
Motivschichtungen von Landschaftselementen, die
durch ihr Gleißen und Blenden den Blick in eine
bodenlose Raum-Zeit-Tiefe zu verschlucken scheint.
Geheimnisvolle Zeichnungen von Monika Walter
Aus „Verwerfungen“ besteht auch die aktuelle Serie
von Monika Walter. Geheimnisvolle Zeichnungen, auf
die sie allesamt Streifen von rotem Gewebeband
geklebt hat, als ob der quirlig lebendige Bildraum
(vorläufig?) versperrt sei.
Versperrt oder heftig gestört ist auch der Blick zweier
für den Abguss vorgesehenen Kalkstein- und Gips-
Büsten von Michael Schützenberger. Der Bildhauer
hat die Köpfe perforiert, mit kleinen, fiesen Rohrteilen,
die nun als Wolkenhaufen die Gesichter bedrängen.
Auch hier: Bilder unserer Verletzlichkeit. Robuster
hingegen die Holzskulpturen von Wolfgang Jaehling,
die als bearbeitete Fundstücke wie frisch aus dem
Wald mit ihrer schratigen Eleganz einen romantischen
Widerstandsgeist ausstrahlen.
Jan F. Welker macht Porträts von Berühmtheiten
Zum Wegträumen laden dann wieder die realistischen
Großporträts von Berühmtheiten ein, die Jan F.
Welker ein paar Schritte weiter präsentiert. Mit Romy
Schneider? Oder lieber mit Neil Armstrong Abstand
von diesem gerade ziemlich heillosen Planeten
gewinnen?
Drei neue Gemälde sind dann von Altmeister Gerhard
Hezel im Casino zu sehen. Hezel, das letzte noch
lebende Gründungsmitglied der Künstlergruppe
zugleich offensichtlich, dass seine Arbeiten seit vielen
Jahrzehnten als fortlaufend kommentierte Chronik zur
Zeitgeschichte gelten können.
Gerhard Hezels Himmelfahrt eines Drehtrockners
mit Corona-Masken
Gerhard Hezel, Jahrgang 1935, überblendet mit dem
Bild „Meine 2 Masken“ einschneidende biografische
wie historische Erfahrungen, indem er über seine
martialische Gasmaske von 1944 den windigen
Stofffetzen seiner aktuellen Corona-Maske gespannt
hat. Krieg und Pandemie, nicht zu vergleichen, klar,
und doch ein Bild der Trostlosigkeit unserer Behelfe.
Mit Hezel’schem Galgenhumor: das Gemälde „Der
Baum der Erkenntnis“. Auf einem kleinen
Drehtrockner, durch den ein entwurzeltes Bäumchen
gezogen ist, hängen bunte Corona-Masken, die alle
für sich eine Geschichte erzählen. Das Arrangement
wird von einer Holzhand, Gottvater mit
Arbeitshandschuhen, in die Höhe gezogen. Eine
Himmelfahrt vor blauem, von Flugzeug-
Kondensstreifen durchzogenem Hintergrund. Technik,
Klima und Corona. Ein neuer Baum der Erkenntnis,
der uns endlich zum Umdenken bringt?
Bei Hezel kommt das mit einnehmendem Witz gemalt
scheinbar ganz luftig leicht daher. „Vom Liebreiz vieler
schlimmen Dinge“, spricht der Maler auf seine knitze
Art, und gibt damit das eigentliche Motto zu dieser
unserer Welt sehr zugetanen, sehr sehenswerten
Ausstellung aus.
Thomas Milz, WKZ 04.12.2021